Ankündigung der Regierung Tschechien will vier weitere Atomreaktoren bauen
6. Februar 2024Bisher war von einem neuen Kernreaktor die Rede – nun hat die tschechische Regierung angekündigt, es sollen vier werden. Dagegen regt sich Widerstand – aber nicht wegen der Technologie, sondern wegen der Kosten.
Es war eine Nachricht, die alle überrascht hat: Eigentlich sollte der tschechische Regierungschef vergangene Woche verkünden, welches Unternehmen einen neuen Atomreaktor in Tschechien bauen soll. Doch dann erklärte Petr Fiala, dass es nicht einer, sondern vier Reaktoren werden sollen. „Der Bau von bis zu vier Blöcken in einem Paket wäre wirtschaftlich deutlich vorteilhafter. Im Vergleich zum Bau nur eines Blocks käme das bis zu 25 Prozent günstiger.“
Mit dieser Begründung stoppte die konservativ-liberale Regierung die Ausschreibung für die größte Einzelinvestition in der Geschichte der unabhängigen Tschechischen Republik und forderte neue Angebote. Eine weitere Überraschung verkündete Industrieminister Jozef Sikela: „In dieser nächsten Phase werden wir nur zwei Bieter ansprechen: Das Angebot des amerikanisch-kanadischen Konsortiums Westinghouse hat nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Vor allem ist sein Angebot nicht verbindlich und kann nicht verglichen werden.“
Westinghouse mit nötiger Expertise
Westinghouse errichtet in Polen das erste dortige AKW und galt für den Block in Dukovany im Süden Tschechiens als Favorit. Als einziger Bieter hat das Unternehmen bereits einen Reaktor mit der geforderten Leistung gebaut. Der US-Botschafter in Prag zeigte sich enttäuscht. Er hatte die Unterstützung für Westinghouse zu seiner Priorität erklärt.
Nun sind nur noch EDF aus Frankreich und der Außenseiter KHNP aus Südkorea im Rennen. Ihre neuen Angebote soll der Energiekonzern CEZ bis Mai bewerten.
Tschechien rechnet mit höherem Stromverbrauch
In Tschechien liegt die Zustimmung zur Atomkraft in Umfragen bei fast 80 Prozent – der höchste Wert in der ganzen EU. Auch die Opposition unterstützt den Ausbau der Kernkraft. „Es gibt keinen anderen Weg“, so der Vize-Chef der populistischen ANO-Partei, Karel Havlicek. „Wer meinte, man könne Atomkraft durch erneuerbare Energien ersetzen, war ein naiver Träumer. Ich bin sehr froh, dass unsere Regierung damals den AKW-Ausbau vorangebracht hat. Und es war richtig, dass die jetzige Regierung die Ausschreibung gestartet hat.“
Tschechien rechnet damit, dass der Stromverbrauch des Landes deutlich steigen wird – bis 2050 um bis zu zwei Drittel. Neue Kernreaktoren sollen genug bezahlbare Energie liefern und auch dabei helfen, die Klimaziele zu erreichen.
Sorge vor Kostenexplosion
Aktuell laufen sechs Blöcke an zwei Standorten: in Dukovany, in der Nähe von Österreich und in Temelin, in der Nähe von Bayern. Und an diesen beiden Orten sollen auch die neuen Reaktoren entstehen. Österreich und Bayern wurden von den Plänen kalt überrascht.
Aber auch in Tschechien ist Kritik zu hören – wenn auch nicht wegen der Kernkraft, sondern wegen der Kosten. „Die Finanzierung und der Zinssatz, das sind die Hauptthemen“, sagt der Wirtschaftsanalyst Radim Dohnal. Laut Studien entfielen bis zu 86 Prozent der Gesamtkosten eines neuen Atomkraftwerks auf die Finanzierung. „Wir sehen das an den Verzögerungen überall auf der Welt, besonders in den USA. Dort steigen die Kosten jedes Jahr immens“, so Dohnal weiter.
Für den Bau eines Reaktors hat die tschechische Regierung vor einigen Jahren rund 6,5 Milliarden Euro veranschlagt. Experten gehen allerdings von bis zu 20 Milliarden Euro aus.
„Das kommt sehr überraschend“
Angesicht der Größe der tschechischen Wirtschaft und der Höhe der Staatsverschuldung sei das Ziel, gleich vier neue Blöcke zu bauen, absolute Science Fiction, meint der Energieanalyst Michal Snobr. „Das kommt sehr überraschend: Früher wollte die Regierung zwei neue Blöcke in Dukovany bauen, dann wurde das wegen Problemen mit der Kühlung dort auf einen reduziert. Und jetzt springen wir völlig ohne Vorbereitung und Diskussion in einer laufenden Ausschreibung auf vier!“
Die Regierung habe Chaos angerichtet, so der CEZ-Aktionär. Das gesamte Verfahren sei eigentlich gescheitert. Auch andere Beobachter halten den Ausbau der Atomenergie in Tschechien nun insgesamt für gefährdet. Nicht so Premier Fiala: Der Zeitplan stehe, der neue Reaktor solle 2036 ans Netz gehen, 2050 bis zu drei weitere Blöcke.