Verfassungsschutz: Wie unabhängig sind die Experten?
4. Februar 2021Es sollte ein Befreiungsschlag sein – der neue Innenminister Renz hat eine vierköpfige Kommission berufen, die die Affären beim Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern aufklären soll. Doch die Zweifel daran wachsen, ob diese Expertenkommission wirklich unabhängig ist.
Sie sollen den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern durchleuchten – drei Männer und eine Frau. Die ehemalige Chefin des Oberverwaltungsgerichts Bremen, Ilsemarie Mayer, der frühere Polizeiinspektor, Rudolf Springstein, der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß und der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen. Sie sollen sowohl aufklären, warum Hinweise eines V-Manns zur Flucht des Terroristen Anis Amri nicht an Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, als auch, warum der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern 2013 Waffen angeschafft hat. Aber zwei hochrangige Vertreter des Verfassungsschutzes, die eine Verfassungsschutzaffäre aufklären sollen, das stößt in Berlin und Schwerin auf Skepsis.
Unabhängige Aufklärung undenkbar
Der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik meint zu der Kommission, dass sei so, als ob man die Füchse auf die Gänse aufpassen lasse. Eine unabhängige Aufklärung der Missstände beim Verfassungsschutz sei so kaum denkbar. Ähnlich sieht das die Linke im Landesparlament und die AfD-Fraktion fordert eigene Experten in der Kommission.
Kommissionsmitglied befangen?
Vor allem an einem Mitglied der Expertenkommission scheiden sich die Geister: Sinan Selen, zweiter Mann im Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) nennt die Einsetzung der Kommission eine Unverfrorenheit. Der Vizechef des Bundesamtes für Verfassungsschutz soll befangen sein, so sieht es Renner. Zu ihrer Annahme kommt sie aufgrund eines Ex-Beamter des Landesverfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern, der mit seinem Hinweis an den Generalbundesanwalt im Herbst 2019 die Sache mit den nicht weitergegebenen Hinweisen zu Amri ins Rollen gebracht hatte. Er hat seine Kritik daran in einem Brief an den Generalbundesanwalt geschickt – und auch persönlich an Sinan Selen, der darauf aber nicht reagiert habe, so Renner. Sie kritisiert, dass innerhalb des Bundesamtes nichts weiter unternommen worden sei und die zuständigen Sachbearbeiter nie diesen Brief gesehen hätten. Dass ausgerechnet Selen jetzt in Mecklenburg-Vorpommern aufklären solle – da mache man den Bock zum Gärtner, so die Bundestagsabgeordnete auf Twitter.
Innenminister Renz weist Kritik zurück
Das Innenministerium in Schwerin weist die Vorwürfe, Selen sei befangen, schriftlich als „schlicht falsch“ zurück. Minister Torsten Renz (CDU) schreibt, man brauche genau diese Expertise von Verfassungschutz, Polizei und Justiz. Wie gut die Expertenkommission ihre Arbeit tatsächlich macht, wird man spätestens am 14. Mai sehen – dann soll der Abschlussbericht veröffentlicht werden.