Schnee-Alarm live“Nur 30 Minuten Zeit“: Hotel schmeißt wegen Schneewalze Gäste raus – NRW-Großstadt plötzlich dicht
7. Februar 202116:28:26
Schnee-Alarm in Deutschland: Der Norden Deutschlands wird am Wochenende von einem ungewöhnlich heftiger Wintereinbruch getroffen. FOCUS-Online-Reporter berichten live von der aktuellen Lage in den betroffenen Regionen.
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Wetter-Chaos in Deutschland: Aktuelle News und Warnungen finden Sie im News-Ticker von FOCUS Online
- Heftige Schneefälle zwischen NRW und Sachsen-Anhalt am Wochenende
- Wintereinbruch soll Anfang der Woche weitergehen
- FOCUS-Online-Reporter Frank Gerstenberg (Bielefeld), Ulf Lüdeke (Harz) und Sebastian Peters (Hannover) berichten vor Ort.
„Nur 30 Minuten Zeit“: Hotel schmeißt wegen Schneewalze Gäste raus – NRW-Großstadt plötzlich dicht
15.39 Uhr: FOCUS-Online-Reporter Frank Gerstenberg wird nun selbst zum Opfer der Schneewalze. Sein Hotel in Bielefeld muss wegen Versorgungsproblemen schließen: „Die Rezeption hat mich gerade angerufen. Ich muss das Hotel verlassen.“ Der Grund: kein Personal. Die Angestellten, die überwiegend in den umliegenden Orten wohnen, kämen nicht mehr nach Bielefeld rein.
Auch Taxis fahren in Bielefeld nicht mehr, einige hätten sich festgefahren, sagt die Rezeptionistin. Züge fahren schon seit vergangener Nacht nicht mehr. Gerstenberg: „Ich habe jetzt nur 30 Minuten, um das Hotel zu verlassen. Mein Auto muss ich in der Tiefgarage stehen lassen, da die Auffahrt schon wieder zugeschneit ist, nachdem die Dame vom Empfang sie heute Morgen eigenhändig freigeschaufelt hatte.“ Es täte ihr „wahnsinnig leid, aber es geht nicht anders“, sagte die Rezeptionistin. Sie hat sich sich aber für den Reporter um ein Ausweichquartier bemüht.
„So viel Schnee habe ich noch nie gesehen!“ Wernigeröder mit Langlaufskiern durch die Stadt
15.02 Uhr: In Wernigerode sind bis Sonntagmittag bis zu 30 Zentimeter Schnee gefallen. Ein Ende des Schneefalls ist derzeit nicht in Sicht. Durch die unmittelbare Nähe zum angrenzenden Harz sind die Menschen hier mit dem Weiß vertraut und freuen sich über die Rückkehr eines „echten Winters“. Und manche schnallen sich sogar Langlaufski unter die Füße und skaten damit durch die Stadt.
Manche Bielefelder haben „einfach Spaß am Schnee“
13.50 Uhr: Auf den Straßen Bielefelds fahren außer Räumfahrzeugen und Taxis kaum noch Fahrzeuge. Der Straßenbahnverkehr ist eingestellt. Dafür laufen Kinder über die zugeschneiten Pisten oder Gleise. Einige mit Schlitten, andere haben Spaß am Schneeballwerfen. Spaziergänger und sogar hartgesottene Jogger laufen mitten über die Hauptverkehrsstraßen, die immer wieder komplett zuschneien. Bielefeld ist in den vergangenen 24 Stunden eine Winterlandschaft geworden, an dem anscheinend immer mehr Menschen Freude haben.
So wie das Ehepaar Gisela Hering-Bejaoui (65) und ihr Mann Ridha Bejaoui (65). Sie zieht einen Schlitten mit einer großen blauen, vollgepackten Plastiktüte über den Niederwall: „Da sind Winterschuhe und Winterjacken für unsere Tochter drin.“ Die 26 Jahre alte Studentin wohnt in einer WG in der Bielefelder Innenstadt. „Sie möchte mit ihrem Hund Schlitten fahren. Das ist doch eine gute Gelegenheit für einen Besuch“, sagt Gisela Hering-Bejaoui. Sie und ihr Mann freuen sich über den Schnee in Bielefeld, der inzwischen bei 30 Zentimeter liegt. „Wir müssen ja nicht mehr arbeiten, wir sind Rentner“, sagt die 65-Jährige, die lange Jahre Leiterin des Sozialamtes im 20 Kilometer entfernten Hiddenhausen war. „Wenn ich morgen zur Arbeit müsste, sähe die Sache anders aus, aber so haben wir einfach Spaß am Schnee.“
Ein bisschen Wärme in der Kälte: Wie Bielefelder um Leben der Obdachlosen kämpfen
12.40 Uhr: Die Obdachlosen trifft der Kälteeinbruch in Bielefeld besonders hart. Menschen wie Timo (36), den FOCUS Online gestern am Hauptbahnhof taf, suchen am Abend nach einem Schlafplatz für die Nacht, der bei Temperaturen von bis zu minus 15 Grad lebensrettend sein kann.
Die rund 70 Frauen und Männer, die derzeit nach Schätzungen obdachlos sind, bekommen allerdings Hilfe. Zum Beispiel von der Heilsarmee. Ihr Leiter, Pastor Michael Geymeier (55), fährt seit Beginn der Pandemie im März 2020 am Abend von 19.00 bis 23.00 Uhr mit einem Kältemobil durch die Stadt.
Drama in Benthe: Mann bricht beim Schneeschippen plötzlich zusammen
12.12 Uhr: Im kleinen beschaulichen Benthe nahe Hannover (knappe 2000 Einwohner) kommt es gegen 11.00 Uhr zu einem dramatischen Zwischenfall. Ein 86-Jähriger, der gerade dabei war, die Wege am Mehrfamilienhaus vom Schnee zu befreien, kippt plötzlich um. Sofort eilen Passanten zur Hilfe. Doch der Mann ist nicht ansprechbar.
Sofort werden ein Notarzt und ein Rettungswagen alarmiert. Die Anwohner sind schockiert: „Gegen 10.00 Uhr haben sich die Männer alle draußen zum Schneeschieben getroffen. So macht man das in einer guten Gemeinschaft“, sagt ein betroffener Nachbar. Der 86-Jährige wird von Rettungskräften ins Mehrfamilienhaus getragen und dort versorgt. Nach der Versorgung vor Ort kommt der Mann tatsächlich wieder zu Bewusstsein. Mit Verdacht auf Herzinfarkt wird der 86-jährige Rentner in ein Krankenhaus gebracht.
Schneeverwehungen und geringe Sicht machen Autofahrten zur gefährlicher Schlitterpartie
11.38 Uhr: An der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zwischen Helmstedt und Wernigerode ist der Verkehr bereits stark eingeschränkt. Auf der A2 ist wenig Verkehr, die Fahrbahn ist meist vollkommen zugeschneit, die Sicht aufgrund des Schneetreibens stark eingeschränkt. Abseits der Autobahn auf den Bundes- und vor allem kleineren Landstraßen machen Schneeverwehungen von 20 Zentimetern und teilweise mehr die Fahrt im Auto zu einer gefährlichen Schlitterpartie. Geschwindigkeiten von mehr als 40, 50 km/h sind so gut wie kaum noch möglich. Die Polizeidirektionen der angrenzenden Landkreise raten daher, von Autofahrten möglichst abzusehen.
Gesamter Bahnverkehr in Hannover eingestellt
10.45 Uhr: Am Hauptbahnhof Hannover geht nichts mehr. Der gesamte Bahnverkehr ist eingestellt worden. Das berichtet unser FOCUS-Online-Reporter Sebastian Peters. „Ein Bahnbeamter am Schalter bestätigt gerade, dass der regionale Zug- und der Fernverkehr komplett wegen der Witterungsverhältnisse eingestellt wird“, so Peters. Auch sind Teile des Hauptbahnhof aufgrund von Schneeverwehungen nicht begehbar. Die Maßnahmen sind Folgen der starken Schneefälle und kältebedingter Vereisungen.
Zugreisende stecken fest – in Hannover geht nichts mehr
10.28 Uhr: Studentin Ailin (24) hat in Hannover ihre Eltern besucht und will zurück nach Peine fahren. Doch es folgt die Ernüchterung in der Bahnhofshalle. „In der App war mein Zug noch verfügbar. Jetzt stehe ich hier. Aber zum Glück holt mich meine Mama gleich wieder ab“, sagt Ailin gegenüber FOCUS Online. Im Hintergrund hört man die Durchsage, dass der Fernverkehr und Nahverkehr (S-Bahn) eingestellt werden. „Ich mache das Beste aus der Situation. Nachdem mich meine Mutter abgeholt hat, gehe ich mit meinem Bruder rodeln.“ Überrascht vom vielen Schnee war die 24-Jährige nicht. „Es wurde ja lange und früh genug gewarnt.“
09.56 Uhr: FOCUS-Online-Reporter Sebastian Peters, der sich gerade in Hannover aufhält, berichtet, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Kreis Gifhorn aufgrund des vielen Schnees am Sonntag komplett eingestellt worden ist. Teile des Hauptbahnhofes in Hannover sind gesperrt. Durch den starken Schneefall sind die Treppenaufgänge nicht begehbar, weil sie durch den heftigen Wind teilweise zugeschneit wurden.
25 Zentimeter Schnee in Bielefeld
09.48 Uhr: Wie FOCUS-Online-Reporter Frank Gerstenberg berichtet, hat es in Bielefeld fast 25 Zentimeter geschneit. Die Temperatur liegt bei minus sechs Grad, fühlt sich aufgrund des starken Windes aber wie minus 15 Grad an. Wo es zu Schneeverwehungen kommt, ist der Schnee noch höher. In der Innenstadt sind fast keine Menschen und Autos unterwegs.
09.20 Uhr: Julian Posteher von der Lamm-Bäckerei steckt in der Bielefelder Innenstadt um kurz nach 08.00 Uhr mit seinem Lieferwagen seit 20 Minuten im Schnee fest. Weder vor noch zurück bewegt sich das Auto, die Räder drehen durch. „Wie soll ich denn jetzt nur zur Bäckerei kommen?“, fragt der junge Mann verzweifelt. Der Weg durch die Fußgängerzone ist nicht weiter als 100 Meter . Doch der Schnee ist über 20 Zentimeter hoch, die Räumfahrzeuge sind hier noch nicht lang gekommen. Als er den Rückwärtsgang einlegt, bewegt sich das Auto. Nach zehn Minuten hat er es geschafft. Die Kunden werden sich heute etwas geduldet haben müssen.
Straßenarbeiter im Schnee-Wahnsinn: „Normale Autos haben hier keine Chance“
08.50 Uhr: „Mehr als Wahnsinn“ sei dieser Schnee in Bielefeld, sagt Dirk Bullwinkel (46), Vorarbeiter eines dreiköpfigen Straßenbauteams, das im Auftrag der Stadt Bielefeld die Bahnsteige vom Schnee befreit. Für die Haltestelle Rathaus brauche er normalerweise 20 Minuten, „heute waren es anderthalb Stunden“, erklärt er FOCUS Online. Die Haltestellen Landgericht und die gesamte Detmolder Straße sowie der Betriebshof der öffentlichen Verkehrsmittel liegen noch vor ihm und seinen Mitarbeitern. „Das wird ein langer Tag heute“, so Bullwinkel. Und es grenzt an Sisyphusarbeit. Als er und sein Team um 6.30 Uhr an der Haltestelle Rathaus anfingen, lagen etwa zehn Zentimeter Schnee. „Jetzt sind es 25 Zentimeter mindestens“, sagt der kräftige Straßenarbeiter und zeigt auf den Schneehügel, den er gerade an die Seite gekehrt hat. Und es schneit weiter.
Normale Autos haben heute in Bielefeld seiner Meinung nach keine Chance. Zurück nach Köln zu fahren, kann man daher wohl vergessen. „Und die Züge fahren ja auch nicht mehr“, habe er gehört. Er selbst muss nach der Arbeit zurück nach Melle, das 32 Kilometer entfernt von Bielefeld liegt. Für die Strecke hat er heute Morgen anderthalb Stunden gebraucht. Obwohl er mit seinem Bully vom Landschaftsbetrieb ein geländegängiges Fahrzeug hat. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, meint der Straßenarbeiter.