Bundesländer wollen Impfstau abbauen
3. März 2021Stand: 03.03.2021 18:21 Uhr
Schnelles Impfen ist ein Weg aus der Corona-Krise – darüber sind sich alle einig. Trotzdem sind erst fünf Prozent der Bevölkerung geimpft. Besonders beim AstraZeneca-Vakzin gab es Verzögerungen. Die Bundesländer verstärken nun den Einsatz.
Nach einem schleppenden Start der Impfkampagne in Deutschland bemühen sich die Bundesländer nun um erhöhte Geschwindigkeit – besonders beim zügigen Verimpfen des gelagerten AstraZeneca-Impfstoffes. Das geht aus einer Abfrage der Nachrichtenagentur dpa unter den Ländern hervor. Zuletzt war nur ein kleiner Teil der gelieferten Mengen des AstraZeneca-Vakzins verabreicht worden.
Große Liefermengen – langsames Impftempo
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sollen bis Donnerstag fast 3,2 Millionen Dosen an die Länder geliefert sein. Bis einschließlich Dienstag sind nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) jedoch lediglich 574.000 Dosen verimpft worden.
Verglichen mit den Impfstoffmengen ist das Impftempo noch sehr überschaubar: Am Montag und Dienstag wurden jeweils rund 60.000 Menschen mit AstraZeneca geimpft, über die beiden Wochenendtage waren es rund 91.000. Bleibt es bei dem Tempo, könnten bis Ende der Woche also mehr als zwei Millionen Dosen auf Halde liegen.
Warum die Verzögerungen?
Die Gründe für diesen Stau sind vielfältig. Teilweise hatte es geheißen, das AstraZeneca-Vakzin habe ein Imageproblem und werde deswegen so zögerlich verabreicht. Laut dpa-Abfrage unter den Ländern ist das aber nicht das Hauptproblem.
In Schleswig-Holstein etwa musste zunächst die Buchungssoftware umgestellt werden, um AstraZeneca in großem Stil in den Impfzentren einsetzen zu können. In Nordrhein-Westfalen wurde das Impftempo in Krankenhäusern zuletzt bewusst gedrosselt, weil teilweise Mitarbeiter nach der Impfung kurzzeitig ausgefallen waren. Die Impftermine wurden daher über einen längeren Zeitraum gestreckt – damit nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig mit Impfreaktionen ausfallen. Und Baden-Württemberg begründete die niedrigen Impfzahlen mit einer statistischen Verzögerung: Impfungen in den Krankenhäusern werden demnach erst verspätet in den Impfzentren statistisch erfasst.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte sich jüngst gegen den Eindruck verwehrt, dass Impfstoff einfach ungenutzt rumliege. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen – etwa bereits vereinbarte Termine – vorgesehen sein.
Anstieg der Impfzahlen
Trotz der Verzögerungen bei der Ausgabe von AstraZeneca steigen die Impfzahlen insgesamt an: Am Montag wurden nach den RKI-Zahlen von allen drei Impfstoffen zusammen knapp 187.000 Dosen verabreicht, am Dienstag sogar gut 199.000. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums erhielten bislang etwa fünf Prozent der Bevölkerung die Erstimpfung.
In mehreren Bundesländern werden inzwischen bereits Impftermine für die zweite Prioritätsgruppe vergeben, andere planen das. Damit wären bald weitere Millionen Menschen mit einer Impfung an der Reihe, die nach den aktuellen Vorgaben der Ständigen Impfkommission (STIKO) auch das AstraZeneca-Vakzin erhalten dürfen.
AstraZeneca bald auch für über 65-Jährige?
Außerdem könnte der AstraZeneca-Impfstoff bald auch an Menschen über 65 verimpft werden. Gesundheitsminister Jens Spahn rechnet damit, dass die STIKO wegen neuer Daten ihre Empfehlung überdenkt, an deren möglicher Revision sie derzeit arbeitet. Er erwarte eine Entscheidung bereits innerhalb weniger Tage, sagte Spahn im ARD-Morgenmagazin.
Bisher hatte die STIKO das Vakzin nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen. „Wenn wir die über 65-Jährigen mit AstraZeneca impfen könnten, würde das richtig Geschwindigkeit bringen und vor allem die besonders Verwundbaren noch schneller schützen“, so der Minister.
Bundesländer verstärken Einsatz von AstraZeneca
Die Bundesländer versuchen die Impfungen mit AstraZeneca jetzt schon hochzufahren – vor einer möglichen Erlaubnis, das Vakzin auch bei älteren Menschen einzusetzen.
In Nordrhein-Westfalen etwa sollen ab Montag rund 750.000 Kita-Erzieher, Tageseltern, Grundschullehrkräfte und Streifenpolizisten ein Impfangebot erhalten. „Wir wollen halt einfach impfen, was das Zeug hält“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. In Hessen haben zuletzt 12.000 Ärzte und medizinisches Personal ihre AstraZeneca-Dosis erhalten, auch Lehrkräfte, Erzieher und Polizisten sollen bald drankommen.
Brandenburg meldete zum Wochenstart eine Auslastung von rund 90 Prozent bei der Terminvergabe, in Thüringen sind die Impftermine für Personal an Kitas und Grund- und Förderschulen binnen weniger Stunden vergeben worden. Auch Baden-Württemberg verzeichnet eine stärkere Terminnachfrage, es gebe wenig Vorbehalte gegen AstraZeneca bei Lehrkräften oder Erziehern. Mittlerweile seien mehr als eine Million Menschen im Land zusätzlich impfberechtigt, heißt es von dort. Zuvor hatten die Länder bereits die Kapazitäten in den Impfzentren hochgefahren.
Hausarztpraxen sollen helfen
Bei ihrem Corona-Gipfeltreffen haben sich Bund und Länder offenbar auf eine Maßnahme zum schnelleren Impfen geeinigt: Ab Ende März sollen Hausarztpraxen in die Impfstrategie einbezogen werden. Das berichten die Nachrichtenagentur Reuters und die „Bild“-Zeitung. Damit folgen die Ministerpräsidenten dem Vorschlag des Gesundheitsministers, der ab kommender Woche eine Pilotphase starten will.
Die rund 60.000 Hausärzte sollen aber erst im April mitimpfen, wenn ausreichend Impfstoff für die Verteilung auch in der Fläche zur Verfügung steht. Das Gesundheitsministerium hatte zuvor betont, dass die Länder selbst über den Einsatz von Hausärzten zum Impfen entscheiden könnten.
Neue Impfverordnung soll Tempo erhöhen
Auch der am Mittwoch veröffentlichte Entwurf des Bundesgesundheitministeriums für eine neue Impfverordnung ist darauf ausgelegt, das Impftempo zu erhöhen – besonders im Hinblick auf AstraZeneca. So sieht das Papier vor, dass das Vakzin künftig prioriär eingesetzt werden soll. Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen demnach vorrangig mit diesem Impfstoff versorgt werden.