Scholz rechtfertigt Bundes-Kompetenzen „Nicht alle zwei Wochen neu verhandeln“
9. April 2021Stand: 09.04.2021 15:59 Uhr
Der Bund will in der Corona-Krise mehr Kompetenzen. Darüber sei man sich mit den Ländern einig, sagte Vizekanzler Scholz. Mit dem Infektionsschutzgesetz sollen unter anderem Schulschließungen einheitlich geregelt werden.
Die Bund-Länder-Runde am Montag ist abgesagt, stattdessen will die Bundesregierung eine stärkere Führungsrolle übernehmen. Darüber sei man sich mit den Landesregierungen einig, betonte Vizekanzler Olaf Scholz. „Alle gemeinsam haben das Gefühl, es macht einen Sinn, das bundesweit so einheitlich festzulegen, dass alle klar wissen, woran sie sind“, sagte der Finanzminister.
Derzeit gebe es zu viele unterschiedliche Lockdown-Regelungen, sagte Scholz. Die Bürger brauchten aber Transparenz, Klarheit und die Sicherheit, dass Maßnahmen überall dort auch eingesetzt würden, wo die Infektionszahlen hoch seien.
Scholz: Schulen ab Inzidenz 200 im Wechselunterricht
Geplant sind laut Scholz unter anderem bundesweit einheitliche „Notbremsen“-Regelungen zu nächtlichen Ausgangssperren, Schulschließungen und Ladenschließungen. Die Vorgaben sollen jeweils dann automatisch greifen, wenn der Inzidenzwert in einem Landkreis die Marke von 100 überschreitet. Unterhalb einer Inzidenz von 100 sollten die bestehenden Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz fortgelten und die Länder damit ihre Zuständigkeiten behalten. Schulen sollen laut Scholz ab einer Inzidenz von 200 in den Wechselunterricht gehen.
Wenn man einheitliche, gesetzliche Regeln habe, „dann muss man auch nicht alle zwei Wochen neu darüber verhandeln.“
Das neue Infektionsschutzgesetz soll kommende Woche auf den Weg gebracht werden. Bereits am Dienstag sollen die Gesetzesänderung durchs Kabinett gehen. Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, angestrebt werde ein „ganz normales Gesetzgebungsverfahren“. Der Entwurf werde vor der Verabschiedung im Kabinett mit den Fraktionen im Bundestag und mit den Ländern besprochen. „Die jetzt gefundene Lösung war notwendig, weil die ‚Notbremse‘ sehr unterschiedlich ausgelegt worden ist.“
Ramelow protestiert, Kretschmann und Dreyer gelassen
Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow äußerte sich empört über die Absage der gemeinsamen Runde mit der Kanzlerin: „Damit zerstört man das Ansehen der Ministerpräsidentenkonferenz in der Öffentlichkeit. So kann man mit diesem Entscheidungsgremium nicht umgehen“, sagte der Linken-Politiker. „Das macht mich nur noch fassungslos.“
„Wenn wir zur Staffage werden für ein Schauspiel, dass sich offenbar innerhalb der Union abspielt, ist das für die Pandemiebekämpfung ein Bärendienst“, kritisierte Ramelow weiter. Er habe den Verdacht, dass es im unionsgeführten Lager keine gemeinsame Linie mehr gibt. Seit dem Scheitern der Osterruhe sei das Kanzleramt aus seiner Sicht „damit beschäftigt, Unruhe zu stiften“.
Positiver nahm der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Ankündigungen aus Berlin auf: „Wir haben schon mehrfach signalisiert, dass wir einen Rahmen, der länderübergreifend bei bestimmten Punkten für mehr Einheitlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit sorgt, für sinnvoll und notwendig erachten“, sagte der Grünen-Politiker.
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) bezeichnete die Absage des Gesprächs mit der Kanzlerin als „folgerichtig“. Sie erwarte nun einen konkreten Gesetzesvorschlag des Kanzleramts, sagte Dreyer den Funke-Zeitungen.
Intensivmediziner warnen erneut
Sowohl Gesundheitsminister Jens Spahn als auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hatten erneut vor einer Überlastung des Gesundheitssystems gewarnt, weil die Zahl der Intensivpatienten in den kommende Wochen steigen werde. „Wenn wir nicht in einen Lockdown gehen, wenn wir die Mobilität nicht stärker einschränken, dann werden die Zahlen steigen, dann werden viele Menschen ihr Leben verlieren“, warnte Wieler.
„Jeder Tag zählt“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx. Der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis sagte, einige Krankenhäuser seien bereits nicht mehr in der Lage, Covid-Intensivpatienten aufzunehmen.