Streit um Luca-App: Konkurrenz sieht Bruch des Vergaberechts
14. April 2021Die Luca-App soll die Kontaktnachverfolgung bei Corona-Infektionen vereinfachen. Mecklenburg-Vorpommern hatte als erstes Bundesland die Lizenz zur Anbindung an die Gesundheitsämter gekauft. Es gibt aber Kritik an der Vergabe.
Konkurrenten der Luca-App kritisieren, dass das Vergaberecht gebrochen worden sei, es also keine Ausschreibung gab. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, weil sie nie die Chance hatten, ihr Produkt vorzustellen. So zum Beispiel Burkhard Hau von der Firma Intrada: „Es zählt natürlich die Chancengleichheit, vor allem fehlt die Würdigung von bis zu 16 Anbietern, die im vergangenen Jahr eine Anwendung programmiert haben, sie wurden alle übergangen. Wenn man an den digitalen Standort Deutschland denkt, der eigentlich junge Leute fördern will, dann ist das ein Schlag ins Gesicht, wenn einfach eine große Agentur beauftragt wird. Das ist auch rechtlich sehr bedenklich.“ Hau prüft jetzt zusammen mit seinem Anwalt, wie er dagegen vorgehen kann. Robel Haiel von der Check-In-App Vida hat einen Antrag zur Kontolle der Vergabe hier in Mecklenburg-Vorpommern gestellt. In erster Instanz ist die Vergabekammer des Landes zuständig, ein unabhängiges Gremium im Wirtschaftsministerium, dies prüft jetzt die Rechtmäßigkeit. In der zweiten Instanz könnte sich das Oberlandesgericht damit befassen.
Pegel: Ausschreibung hätte Wochen gedauert
Ein Ausschreibungsverfahren hätte vermutlich lange gedauert. Das Digitalisierungsministerium teilte schriftlich mit, dass es um eine möglichst schnelle Lösung ging, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Minister Christian Pegel (SPD) sagte im Interview mit dem NDR: „Wir hatten nicht die Zeit, alle Bewerber über einen Zeitraum von sechs Wochen einzuladen. Es war eine Frage der Geschwindigkeit, es sollte zügig gehen, was ja auch gelungen ist. Wir haben binnen weniger Tage die Einführung umsetzen können. Das ist das, was wir in Corona-Zeiten brauchen, dass wir nicht monatelang Ausschreibungen durchführen, sondern im Zweifel sehr schnell reagieren können.
Mindestmaß an Wettbewerb muss hegestellt werden
Ganz so einfach sei das allerdings nicht, denn es gebe eine Ausschreibungspflicht, sagen Kritiker. Das Vergaberecht lässt zwar Ausnahmen zu, unter anderem auch aus Gründen der Dringlichkeit. Aber das funktioniere nicht so einfach, wie sich bereits in einem Fall rund um die Landesregierung gezeigt habe, sagte der Rechtsanwalt für Vergaberecht Olaf Hünemörder aus Rostock: „Das Oberlandesgericht in Rostock hat am 9. Dezember einen Fall entschieden. Darin ging es um Labortests. Das Gericht stellte fest, dass grundsätzlich angesichts der Pandemie von einem Dringlichkeitstatbestand ausgegangen werden kann. Aber auch in Fällen der Dringlichkeit müsse ein Mindestmaß an Wettbewerb hergestellt werden, es müssten also grundsätzlich mehrere Angebote abgefragt werden.“
Das Digitalisierungsministerium teilte dem NDR mit, dass eine App zur Kontaktnachverfolgung zwar nicht ausgeschrieben worden sei, es habe aber eine Marktrecherche stattgefunden. Dabei habe man zehn Alternativen zur Luca App gefunden. Minister Pegel sagt, nur Luca habe alle Eigenschaften bieten können, die notwendig seien. Andere Anbieter widersprechen, ihre Produkte könnten mindestens genauso viel wie Luca. Die Netzaktivistin und Bundestagsabegordnete Anke Domscheit-Berg (Die Linke) sieht ein Problem in der Marktrecherche: „Da hat man für die Wettbewerber nur eine Online-Recherche gemacht, man hat nicht mit ihnen geredet und zum Beispiel abgefragt, ob bestimmte Funktionen eingebaut werden könnten und wenn ja, wie schnell. Persönliche Gespräche hat man aber mit den Anbietern der Luca-App geführt. Bei ihnen hat man sozusagen alles geglaubt, was sie versprochen haben, ohne das zu überprüfen.“
Chaos Computer Club fordert Prüfung durch Bundesrechnungshof
Die europäische Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) forderte ein „umgehendes Moratorium“ beim Einsatz der Luca-App. Die Vergabepraktiken in den Bundesländern müssten durch den Bundesrechnungshof überprüft werden. Niemand dürfe gezwungen werden, die App zu verwenden, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. „Für den Umgang mit hochsensiblen Gesundheits- und Bewegungsdaten verbietet sich der ländersubventionierte Roll-Out ungeprüfter Software von selbst.“