Mehr Infektionen in MV: Wie weiter mit der Maskenpflicht an Schulen?

Mehr Infektionen in MV: Wie weiter mit der Maskenpflicht an Schulen?

16. August 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 16.08.2021 16:30 Uhr

Die dritte Woche im neuen Schuljahr in Mecklenburg-Vorpommern hat begonnen, nun sollen die Schüler im Unterricht eigentlich ohne Maske lernen können.

In Rostock ist die Corona-Warnampel am Montag umgesprungen. Sie zeigt nun den Warnwert orange, bei einer Inzidenz von 55. Sollte das drei Tage in Folge so bleiben, müssen die Rostocker Schülerinnen und Schüler die Masken wieder aufsetzen.

Ab Einstufung „orange“ gilt die Maskenpflicht in einer Region

Maskenfrei in der Schule gilt nämlich nur in den Regionen, die laut der Corona-Ampel des Landes auf grün oder gelb stehen. Dafür ist die Risiko-gewichtete Einordnung entscheidend, die das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) herausgibt. Wo diese Ampel an drei aufeinanderfolgenden Tagen auf Orange oder rot beziehungsweise violett steht, muss wieder Maske an den Schulen getragen werden.

Regionale Sonderregelungen – unter anderem bei Corona-Ausbrüchen

Trotz einiger Corona-Fälle an Schulen in den ersten beiden Wochen des neuen Schuljahres ist die Strategie im Land derzeit so, dass nicht mehr ganze Klassen oder Klassenstufen in Quarantäne geschickt werden. Die Schulleiterin der Regionalen Schule und Grundschule in Satow (Landkreis Rostock), Heike Walter, hat das Prozedere gerade miterlebt. An ihrer Schule waren zwei Schüler infiziert.

So funktioniert die neue Coronaampel

Maske tragen nach Kontakt mit infiziertem Schüler

„Dann gibt es inzwischen eine Möglichkeit, die ich sehr gut finde. Dass man sagt: Diejenigen, die Kontakt hatten, also die Klasse oder die definierte Gruppe, dass man dann sich täglich testet und die Maskenpflicht besteht weiter“, so Walter. Die Mitschüler können also durchaus weiter zur Schule gehen, müssen aber nach einem solchen Quarantäne-Fall eine Zeit lang wieder Maske tragen und sich dann auch täglich testen. Es wird also kleinteiliger entschieden. Was genau gilt, legen die örtlichen Gesundheitsämter fest, nachdem sie sich mit den Schulleitungen beraten haben.

„Masken in die Schultasche – dann kann nichts schief gehen“

Das müssen Eltern also weiter im Blick haben oder es so machen, wie es Schulleiterin Walter ihren Schülern nun empfiehlt. Eine Maske sollte stets im Schulranzen parat gehalten werden. Kinder müssten sowieso eine Maske haben – nämlich beim Bus fahren oder beim Warten an der Bushaltestelle. „Vor diesem Hintergrund plädiere ich dafür: Masken in die Schultasche – und dann kann auch nichts schief gehen.“

Kinderärzte in MV uneins

Unter Kinderärzten in Mecklenburg-Vorpommern sind die Meinungen über die Maskenpflicht an Schulen ebenso wie die Ankündigung der Ständigen Impfkommission (StIKO), die Corona-Impfung auch für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren empfehlen zu wollen, auf geteilte Meinungen gestoßen. „Wir können es uns zurzeit erlauben, die Maskenpflicht fallen zulassen. Wir müssen aber auch sehen: Was auf uns zukommt, wissen wir nicht ganz genau“, sagte der Greifswalder Kinderarzt Dr. Andreas Michel, der auch Vorsitzender des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte MV ist.

„Masken haben viele Todesfälle verhindert“

Angesichts der Delta-Variante würden die Inzidenzwerte und Ansteckungen wieder steigen. „Es kann durchaus sein, dass wir relativ bald wieder zur Maskenpflicht zurückkehren müssen.“ Die Maskenpflicht an Schulen sei sinnvoll, Masken seien trotz aller Nachteile das „kleinere Übel“. Die Masken hätten in den letzten Monaten viele Erkrankungen, Übertragungen und Todesfälle verhindert. „Wenn wir unsere Kinder in die Schulen schicken wollen, dann müssen wir zusätzliche Sicherheiten einbauen.“ Neben Masken seien regelmäßige Tests erforderlich, so Michel. „Dann werden wir hoffentlich ganz gut durch den Herbst kommen.“

Kinderarzt Dr. Michel: Vorteile der Impfung überwiegen

Die StIKO-Ankündigung, die Corona-Impfungen auch für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren empfehlen zu wollen, begrüßt Michel. „Die Daten beispielsweise aus den USA sind ja lange da. Die zeigen, dass auch wenn Kinder selten schwer erkranken, die Vorteile einer Impfung auf jeden Fall da sind und dass die Nebenwirkungen der Impfung um Größenordnungen niedriger sind als durchgemachte Erkrankungen.“ Die Impfungen seien – vor allem in den USA – mehreren Millionen Jugendlichen verabreicht worden. „Es gibt mittlerweile auch genügend Daten, um die Sicherheit dieser Impfung zu belegen.“

„Kinder sind nicht das Problem“ – Kritik an StIKO-Empfehlung

Dagegen sieht der Kinder- und Jugendmediziner Dr. Sven Armbrust, der auch Chefarzt am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg ist, die Empfehlung der STIKO kritisch. „Ich finde es sehr schade, dass die StIKO offensichtlich dem massiven Druck der Politik erlegen ist und diese Empfehlung herausgegeben hat.“ Jüngst veröffentlichte Studien hätten gezeigt, dass Kinder nicht das relevante Problem seien. So zeigten englische Daten, dass von 250.000 Kindern nur 0,6 Prozent positiv seien. „Ich frage mich, was wollen wir bewirken, wenn wir jetzt die Kinder in Reihen durchimpfen?“ Armbruster verwies zudem darauf, dass amerikanische Daten ein gewisses Risiko vor allem für männliche Jugendliche, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, auswiesen. „Wir reden da von 1 zu 10.000 bis 1 zu 13.000.“

„Ein kleines Stückchen Normalität für unsere Kinder“

Die Abschaffung der Maskenpflicht in Schulen begrüßte Armbruster hingegen. „Wir wissen aus allen Studien, dass es keine relevanten Übertragungen gibt. Wir hatten auch keine relevanten Cluster hier in Mecklenburg-Vorpommern an Schulen in größerem Umfang.“ Insofern sei es „richtig und wichtig“, dass die Maskenpflicht gefallen ist. Die zweimaligen Testungen pro Woche gäben als Screening-Instrument Hinweise, wo man stehe. Dass man im Einzelfall bei einem Cluster oder mehreren positiv getesteten Kindern in Schulen für die einzelne Klasse wieder Masken einsetze, könne sinnvoll sein. „Aber es gibt ähnliche Untersuchungen schon auch aus anderen Bundesländern, da wurden nur die Schüler um den Betroffenen mit Masken versorgt, und es hat auch nicht relevant zu einer Infektionskette geführt“, so Armbruster. Sich bei der Frage einer Maskenpflicht an Schulen nur an den Inzidenzwert zu auszurichten, hält Armbruster für falsch. „Der Inzidenzwert wurde einmal geschaffen, um eine  Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten zu garantieren.“ Mittlerweile habe sich das verselbständigt. Solange die Kinder mit Tests gescreent würden und keine relevanten Infektionsgeschehen aufträten, könne der Inzidenzwert auch höher als 50 sein, meint Armbruster.